Auswandern auf Zeit: Sandra Winkler

Aus dem Schwarzwald nach Gurgaon, Indien, ging PR Manager Sandra Winkler (28)

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Winkler vor dem Panorama des Himalaya

Arbeiten bei 45 Grad Celsius ist nur eine der Herausforderungen, die mir Indien gestellt hat. Für das globale Research-Unternehmen „evalueserve“ stehe ich dort gerade für ein Jahr unter Vertrag. Die Firma recherchiert für ihre Kunden Markttrends, beobachtet Wettbewerber, betreibt Marktforschung oder wertet Kundendatenbanken aus. Statt vieler deutscher Uni-Absolventen, die erst nach 300 erfolglosen Bewerbungen ihren Lebensmittelpunkt nach Indien verlegt haben, habe ich mich bewusst dafür entschieden.“

Die Verantwortung ruft

„Ich bekomme zwar nur ein indisches Gehalt, wenn auch ein gutes für indische Verhältnisse. Aber als Berufseinsteiger in Deutschland hätte ich keine so verantwortungsvolle Aufgabe bekommen. Hier gibt es keine festgefahrenen Strukturen wie in den westlichen Industrieländern. Als Brand Manager PR betreue ich die Abteilung „Intellectual Property and Legal Services“, also geistiges Eigentum und juristische Dienstleistungen. Sie führt zum Beispiel Patentpotenzialanalysen durch. Etwa bei Erscheinen einer neuen Studie aus dieser Abteilung übernehme ich die PR-Aktivitäten.“

MP3-Player im Rikschaland

„Zwar verbrachte ich während meines Studiums der Soziologie, Philosophie und Journalistik ein Auslandssemester in Chile und arbeitete zwei Monate bei einer NGO in Argentinien. Aber in Indien war ich zuvor noch nie. Unser Firmenstandort Gurgaon ist geprägt von größten Gegensätzen. Noch ein Dorf vor ein paar Jahren, haben mit den Bürogebäuden auch die jungen Akademiker Einzug gehalten. Man sieht sie in den Straßen mit ihren iPods und Multimediahandys, wo auch die Bauern stehen, die von ihrem Land vertrieben wurden und als Rikschafahrer arbeiten.“

Hilfe gegen den Kulturschock

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Winkler mit einem typisch asiatischen Yak

„Wir sind derzeit 55 ,internationale Analysten‘ aus aller Herren Länder, einige arbeiten aber auch in Chile oder China. Von der Firma erhält jeder Neuankömmling ein Ratgeberbuch mit den ersten Hindi-Worten und anderem. Aber am besten bereitet der so genannte Buddy auf die indische Kultur vor: ein Kollege, der schon länger vor Ort ist. Mir stand Kollegin Martina zur Seite. Wir ,Internationals‘ wohnen zusammen in sehr geräumigen, komplett eingerichteten 3er- oder 4er-Wohnungen, deren Miete die Firma übernimmt.“
 
Knielang ist zu kurz

„Mittlerweile trage ich auch die hier landestypische Kleidung für Frauen, die aus einem längeren Oberteil und einer Hose besteht, auch wenn sie für den Europäer einem Schlafanzug ähnelt. Westliche Büro-Outfits kann man hier auch tragen, aber knielange Röcke sind zu kurz.
Womit ich mich aber immer noch nicht so richtig abgefunden habe, ist, dass man hier als Frau ständig angestarrt wird. Es ist allgemein laut, staubig und heiß, und das Essen sehr gewöhnungsbedürftig für den europäischen Magen.“

China oder Chile?

„Der Aufenthalt hat mir nicht nur tolle berufliche Aufgaben ermöglicht, sondern ein wunderschönes Land nähergebracht. Der Himalaya ist atemberaubend, und Delhi mag ich wirklich gerne, mit seinen bunten Märkten, vielen Tempeln und Parks. Meine Zeit in Indien endet im Januar, aber ich möchte weiter für die Firma arbeiten, gerne auch an einem der anderen Standorte Chile oder China. In Deutschland kann ich auch noch die restlichen 40 bis 60 Jahre mein Geld verdienen.“ 

Aufgezeichnet von Dirk Oetjen (20.9.2007)