Wie ein Schlag ins Gesicht

Wie hoch ist im Ausland die Toleranzgrenze für Fehltritte?
KLEIN: Man geht im Ausland ja gar nicht davon aus, dass man alles richtig macht. Man genießt auch eine gewisse Narrenfreiheit, etwa was den Alkohol im Orient betrifft. Dennoch sollten gewisse Basics unbedingt bekannt sein. Um beim Orient zu bleiben: Zeigt man dort die Schuhsohle – was ja im Sitzen passieren kann – heißt das „Du bist mir so viel Wert wie der Dreck unter den Schuhen“. Ein Schlag ins Gesicht hätte den gleichen Effekt.

Wie groß ist die Bereitschaft von Führungskräften, sich über solche Gepflogenheiten zu informieren?
KLEIN: Es ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn man Führungskräfte fragt, reagieren sie sehr aufgeschlossen. Interkulturelle Kompetenz ist momentan sehr en vogue. Doch im Geschäftsalltag werden oft andere Prioritäten gesetzt, und das Thema geht dann unter. So mancher Kunde ist jede Woche auf einem anderen Kontinent, hält sich dann aber nur in klimatisierten Räumen auf und isst aus Angst vor einer Magenverstimmung nur bei Fast-Food-Ketten. Das ist sehr rational gedacht, denn manchmal ist es riskant, in Indien auf der Straße etwas zu Essen zu kaufen. Es deutet aber auch stark auf die Unfähigkeit hin, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen.

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Michael Kleins Fachbuch: Cross Culture-Benimm im Ausland“

Wie sollte man sich verhalten, wenn man relativ spontan in ein Land geschickt wird, dessen Gepflogenheiten man nicht kennt?
KLEIN: Da ist Interkulturelle Kompetenz gefragt. Eine der so genannten Soft Skills. Es ist das grundsätzliche Bewusstsein, dass alles, was ich mitbringe, nicht selbstverständlich ist. Deutschland ist das einzige Land, in dem man sich am Esstisch die Nase putzen kann. Je weiter man sich von Deutschland entfernt, als umso ekliger wird es empfunden. Interkulturelle Kompetenz bedeutet dann, flexibel zu sein und wie die anderen die Nase hoch zu ziehen. In Japan gibt es auch gar keine Taschentücher. Oder sich in Brasilien 60 bis 70 Mal am Tag anfassen zu lassen. Man wird dort ständig berührt. Es gehört dann die Fähigkeit dazu, empathisch zu spüren, das ist hier üblich, dann mache ich das mit. Es gehört der Wille des dauernden Umlernens dazu.

Dirk Oetjen (18.9. 2007)

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